Interview mit Carl-A. Fechner und Matthias Willenbacher

  • Carl-A. Fechner
  • Frage: In Ihrem Film spielen keine Schauspieler die Hauptrollen, sondern sogenannte Protagonisten. Also Menschen die Themen repräsentieren. Für einen Dokumentarfilm nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich hingegen ist die Finanzierung des Films…

Die Idee des Films ist, wir besetzen die einzelnen Themen der Energieautonomie mit einzelnen Protagonisten. Das war eine ganz grundsätzliche Entscheidung: Zeige ich die Technik oder zeige ich die Menschen. Die Protagonisten in dem Film haben wir deshalb alle gecastet, also in Gesprächen geprüft, ob sie zum Film und zur Vision passen. Dieser Prozess hat sich etwa ein Jahr hingezogen.

Und es sollte auch jemand in Deutschland besetzt werden, wir suchten einen alerten, smarten, erfolgreichen Unternehmer, der sich dieses Thema erneuerbare Energien, besser noch 100 Prozent erneuerbare Energien in der Tiefe seiner Seele zu eigen gemacht hat.
Das war und ist einfach ein entscheidender Fakt – der Film lebt über Menschen. In der Casting-Phase lernten wir über unsere Mitarbeiterin Irja Martens Matthias Willenbacher kennen, der mir auf den ersten Blick sehr sympathisch war. Irja Martens Aufgabe als Executive Producerin war es als erstes natürlich die Finanzierung des Projekts zu organisieren.
Wir haben uns dann getroffen. Angesetzt war eine Stunde – schlussendlich haben wir uns drei Stunden lang unterhalten. Mir wurde in diesem Gespräch klar, dass er als deutscher Unternehmer der perfekte Protagonist für unseren Film war und ist, da er noch viel mehr gemacht hat als sich das für mich auf den ersten Blick darstellte. Er erzählte mir von dem unglaublichen Energieeffizienz-Haus das er in sechs Monaten bauen wollte. Ich habe damals selbst ein ähnliches Haus gebaut und habe vehement bestritten, dass so etwas überhaupt geht. Er erzählte mir außerdem von seiner im Tiefsten seiner Seele vorhandenen Lebens- und Arbeitsphilosophie: schnell 100 Prozent erneuerbare Energien zu erreichen. In diesem Gespräch rückte für mich das Thema Finanzierung fast in den Hintergrund – und seine Vision, die sich mit unserer überschneidet, in den Fokus. Fundraising ist ja auch nicht die Hauptaufgabe als Regisseur.

Im Laufe der Zeit kam es dann zu zwei Entscheidungen: Zum einen hat sich juwi zu einer Hauptsponsorenschaft entschlossen. Und wir haben das Konzept des Films inzwischen so ausgefeilt, dass klar war, dass wir das Thema Energieeffizienz mit dem Unternehmer Willenbacher verbinden wollten. Was eine einmalige Chance darstellte!

Für uns war im Vorfeld durch unsere Erfahrung auch mit anderen Sponsoren eindeutig klar: Sponsoren werden keinen Einfluss auf den Inhalt des Filmes haben, die Distanz wird klar geführt. Sponsoren konnten bspw. den Film auch nicht abnehmen, was ja auch eine Einflussnahme bedeutet hätte. Das ist vertraglich vereinbart und mündlich versprochen. Das hat auch bis zum heutigen Tage kein einziger dieser 145 Menschen, die den Film unterstützt haben, versucht. Was ich sehr beglückend finde.
Für die Sponsoren wiederum war die Filmpremiere wie Weihnachten – es war das erste mal dass sie das Ergebnis gesehen haben. Sie haben sich zur Unterstützung aus teilweise ganz persönlichen Gründen entschieden, nachdem der Vertrag unterschrieben wurde, ging das Filmteam völlig unabhängig davon seinen Weg.

Und so war das auch mit Willenbacher. Matthias rückte natürlich immer stärker in den Fokus, da er diese wichtige Protagonistenrolle inne hatte. Besonders für mich als Regisseur. Dann kam auch noch hinzu, dass er sich einen Tesla kaufen wollte. Wir wiederum wollten unbedingt Tesla in unserem Film vorstellen – es baute sich eine perfekte Brücke auf.

  • Frage: Der Film wurde nicht nur durch Sponsoren finanziert – es gibt auch einen Investor.

Die Situation im Sommer 2008 stellte sich so dar, dass wir einen unglaublichen Erfolg mit unserer Finanzierung hatten. Meines Wissens hat es solch eine Finanzierung, also das Ansprechen von Personen, das Einsammeln von 600.000 Euro, so noch nie gegeben. Alle Fachleute, alle Kollegen meinten, dass wir so vielleicht 10.000 Euro bekommen würden. Für mich ist dieser Erfolg ein Beleg dafür, wie stark der Wille in der Bevölkerung ist, auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzustellen. Also nicht nur die positive Grundeinstellung gegenüber erneuerbarer Energien, sondern eindeutig der Wunsch nach 100 Prozent erneuerbare Energien. Und die Wahrnehmung, dass die Energiewende wie wir sie auffassen, zu einer gerechteren Welt führen wird.

Der zweite Pfeiler der Finanzierung sollten öffentliche Fördergelder sein. Damit beschäftige sich ein festes Team aus fünf Personen drei Monate lang. Und wie in einem Dominospiel brachen ein Baustein nach dem anderen zusammen. Das war eine Phase, in der wir sehr verzweifelt waren. Dafür hatten wir keinen Plan b. Wir haben nochmals unsere Sponsoren gefragt, aber eigentlich war uns klar, dass wir damit das Problem nicht lösen können.

Und da bekam ich einen Anruf aus Amerika von Matthias Willenbacher. Er hatte in einem Artikel über Al Gore gelesen, dass dieser die USA auf 100 Prozent CO2-freie Energieerzeugung umstellen will. Bis 2020. Und dann sagte er mir: „Wenn Ihr Euch nicht beeilt, überholt Euch die Geschichte! Dann überholt Euch die Wirklichkeit.“ Er fragte dann, wie viel Geld uns noch fehlen würde, um mit dem Dreh zu starten. Da musste ich ihm sagen, dass wir noch eine halbe Million Euro bräuchten. Tja und dann sagte Matthias, mach Dir keine Gedanken, Carl, die bezahle ich. Dann dachte ich, hallo! Ich kannte diesen Mann damals nicht so gut, aber dass er kein Millionär ist, war mir schon klar. Ich sagte also, das kannst Du doch gar nicht bezahlen. Er würde sich das Geld von der Bank holen, war die Antwort. Für ein so „undrehbares“ Thema, für einen Dokumentarfilm über Energieautonomie!
Als Matthias Willenbacher wieder in Deutschland war, haben wir uns spät abends in einer kleinen Pizzeria irgendwo im Nowhereland getroffen. Eigentlich war das Restaurant schon geschlossen, wir haben aber noch etwas bekommen. Und dort hat er es bestätigt – ich konnte es nicht fassen, es war einfach zu unglaublich. Ich weiß noch, wie ich nach dem Gespräch mit Irja Martens ins Auto stieg und wieder zurück nach Immendingen gefahren bin: „Wir können drehen, oder?“ – „Ja, ich glaube ja!“. Und dann haben wir sechs Wochen lang vorbereitet und dann angefangen zu drehen.
Matthias Willenbacher, dem wir diesen Film verdanken, den es heute noch nicht geben würde wenn er damals nicht seine Unterstützung zugesagt hat, werde ich ewig dankbar sein. Da kann kommen was will – das werde ich Matthias nie vergessen.

  • Matthias Willenbacher
  • Frage: Herr Willenbacher – woher kommt Ihr Engagement für erneuerbare Energien?

Vor etwa 15 Jahren habe ich auf dem Hof meiner Eltern mein erstes Windrad gebaut – gegen viele Widerstände. Ich wollte damals ein Zeichen setzen – ein Zeichen für den Umweltschutz und für eine alternative Energieversorgung. Zusammen mit meinem Partner Fred Jung, mit dem ich kurz darauf juwi gründete, habe ich inzwischen viele Windräder gebaut. Und Photovoltaik-Anlagen. Und Bioenergie-Anlagen. Aus einem Zwei-Mann-Büro wurde ein Unternehmen, das weltweit rund 800 Mitarbeiter beschäftigt. Der Antrieb aber ist heute derselbe wie damals: Aktiv sein für Umwelt und Klima, Menschen über Alternativen aufklären und überzeugen.

  • Frage: Im Jahr 2007 kam Carl Fechner auf Sie zu und erzählte von seinem Filmprojekt „Energy Autonomy“. Weshalb hat sich juwi entschlossen, Hauptsponsor zu werden?

Uns geht es in erster Linie um Aufklärung. Nur wenn viele Menschen wissen, was Erneuerbare alles leisten können und welche Vorteile sie außer dem Umweltschutz noch haben, kann auch das Richtige schnell umgesetzt werden. Es kursiert viel Unwissen über unsere künftige Energieversorgung. Viele sagen, erneuerbare Energien sind gut und richtig, aber sie werden uns nie sicher und vor allem zu 100 Prozent mit Strom und Wärme versorgen können. Das stimmt nicht. Erneuerbare Energien stehen uns in unerschöpflicher Menge zur Verfügung, wir müssen sie nur nutzen.
Das zeige ich auch anhand eines Szenarios, das ich 2007 für Rheinland-Pfalz erstellt habe. In der Studie wird mit einfachen Rechenbeispielen gezeigt, wie im Jahr 2030 das Bundesland rein durch erneuerbare Energien versorgt werden kann. Was im Kleinen geht, funktioniert auch im Großen, sodass Fred Jung und ich die Kampagne „100% erneuerbar“ ins Leben gerufen haben. Mit der Kampagne möchten wir Menschen für das Thema begeistern und vor allem überzeugen. Mit „Die 4. Revolution – Energy Autonomy“ wollen wir noch viel mehr Menschen erreichen und aufklären. Über Klimaschutz, über Unabhängigkeit, über Sicherheit, über Wirtschaftlichkeit – das sind alles Faktoren, die mit der Energiewende zusammen hängen. Die Botschaft des Filmes ist 1:1 die unserer Firmenphilosophie: 100 Prozent erneuerbare Energien sind machbar, und zwar in naher Zukunft.

  • Frage: 2008 entschieden Sie sich, als Privatperson zu investieren. Wie kam es dazu?

Im Sommer 2008 waren die Produktionsmittel für den Film erschöpft, Fördermaßnahmen wurden nicht in ausreichendem Maße bewilligt und das Fundraising zog sich in die Länge. Ich war gerade in den USA auf einer Solarmesse, als ich einen Artikel über Al Gore las. Er sagte darin, es sei realistisch, dass die USA bis 2020 ihren Strom CO2-neutral erzeugt. Wobei man sagen muss, dass darin 25 Prozent Atomstrom enthalten sind. Wenn das in den USA auch nur annähernd möglich ist, so können wir das in Deutschland auch. Doch dafür muss schnell etwas getan werden, wir dürfen keine fünf oder zehn Jahre mehr warten. Carl hätte mit seinem Team garantiert die fehlende Summe zusammen bekommen. Aber vier Jahre Fundraising hat nur etwa ein Drittel des Filmbudgets eingebracht – deshalb hab ich mich entschieden, in den Film zu investieren, als Privatperson. Mir war und ist die Vision einfach zu wichtig, als sie noch länger hinauszuschieben.

  • Frage: Wie dürfen wir uns das vorstellen – Sie werden den Betrag ja nicht frei zur Verfügung gehabt haben?

Meine Bank, die Volksbank Limburg, war zunächst eher „zurückhaltend“ in ihrer Euphorie. Es gibt zu viele Filmprojekte, die am Ende scheitern. Jedoch hat sie mir persönlich ihr Vertrauen geschenkt, und damit war die Bahn frei für „Die 4. Revolution“.

  • Frage: Sie haben also ein persönliches Risiko auf sich genommen. Was macht Sie so sicher, dass Energy Autonomy ein Erfolg wird?

Natürlich konnte ich anfangs nicht sicher sein, dass Energy Autonomy wirklich ein Erfolg wird. Ich kannte das Ergebnis ja nicht. Das Thema ist außerdem komplex, der Film hinterfragt feststehende Säulen unserer Gesellschaft, die Zuschauer müssen sich auf den Film einlassen – bequemes Kino sieht anders aus. Schlussendlich war mir das aber egal: Dieser Film wird viele Menschen emotional berühren. Dieser Film wird etwas bewegen – er ist eben Teil einer Revolution. Dieses Ziel wiegt schwerer als das Risiko. Ich bin überzeugt von der Botschaft – das war Grund genug, einzusteigen.

  • Frage: Sie haben einen Zwei-Mann-Betrieb mit Fred Jung zu einem globalen Akteur im Bereich erneuerbarer Energien ausgebaut. Hat man denn dann überhaupt Zeit sich um ein Filmprojekt zu kümmern?

Mein Beruf ist meine Leidenschaft, erneuerbare Energien sind meine Leidenschaft. Natürlich ist der wirtschaftliche Erfolg wichtig, denn zusammen mit Fred Jung trage ich die Verantwortung für mehrere hundert Mitarbeiter. Man könnte meinen, dass mich allein das bereits ausfüllt. Gerade aber resultierend aus dieser Leidenschaft ist eben wirtschaftlicher Erfolg nicht alles. Wichtiger ist, dass wir bald unsere Energieversorgung umstellen. Dafür habe ich immer Zeit und Kraft.